Hatten Sie am Ende eines klassischen Konferenztages schon einmal den Eindruck oder gar das direkte Feedback, dass die Teilnehmer aus den Kaffeepausen mehr Informationen und Kontakte mitgenommen haben, als aus den eigentlichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen? Damit sind Sie nicht allein. Neue Veranstaltungsarten haben diesen Trend erkannt und binden Besucher aktiv in den Programmablauf ein. Heute stellen wir Ihnen einige spannende Formate vor und berichten von einem Open Space in einer unserer Locations.
Von Unkonferenz bis Fishbowl: Involvement vorausgesetzt
Seit mehreren Jahren entwickeln sich einige Veranstaltungsformate und -elemente, die die Teilnehmer mehr begeistern und aktiv in das Programm einbinden wollen. Dazu gehört zum Beispiel das Barcamp, auch Ad-hoc- oder Unkonferenz genannt, bei dem zunächst keine Agenda existiert. Stattdessen wird diese zu Beginn der Veranstaltung von den Gästen gemeinschaftlich bestimmt und jeder hat die Möglichkeit, selbst Beiträge zu leisten. In einem „World Café“ dagegen wird eine möglichst präzise Fragestellung benötigt, die dann in mehreren Kleingruppen gleichzeitig diskutiert wird. Die Ergebnisse werden in Form von MindMaps, Notizen und Zeichnungen festgehalten. Über mehrere Runden rotieren die Teilnehmer zwischen den Tischen und erweitern so das kollektive Wissen.
Auch eine Warp Conference erfordert eine konkrete Fragestellung, setzt aber noch mehr auf Effizienz und den direkten Austausch. Inspiriert vom Speed-Dating kommen hier zwischen 12 und 70 Teilnehmer zusammen, um dann paarweise und hierarchieübergreifend zu diskutieren. Wem solche zugegebenermaßen nicht risikofreien Eventkonzepte noch etwas gewagt erscheinen, der könnte sich zunächst auch an neuartigen Einzelelementen versuchen. Dazu gehören zum Beispiel die Pecha Kucha, in der nur 20 Folien jeweils 20 Sekunden lang präsentiert werden dürfen, um sich in kurzer Zeit auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein anderes Beispiel wäre ein Fishbowl. In diesem interaktiven Diskussionsformat dürfen Zuhörer aus einem Außenkreis nach vorher festgelegten Regeln Teilnehmer aus dem inneren Diskussionskreis ablösen und sich so aktiv beteiligen.
Übersicht: Interaktive Veranstaltungsarten und -elemente
Open Space | World Café | Barcamp | Warp Conference | |
---|---|---|---|---|
Kurzbeschreibung | offener Raum zum kreativen Austausch ohne festgelegten Ablauf | wechselweise Bearbeitung der gleichen Fragestellung in Kleingruppen | „Unkonferenz“ mit spontan organisierter Agenda | Speed-Dating zu einem Leitthema |
Ziel | Problemlösung | Informationsaustausch | Informationsaustausch | Schneller Informationsaustausch und Networking |
Teilnehmeranzahl | 12-1.000, idealerweise 50-100 | 12-2.000, idealerweise >30 | 12-700 | 12-70 |
Dauer | 1 Stunde bis 3 Tage | 45 min bis 3 Stunden, 15-45 min pro Runde | 5 Stunden bis 2 Tage | ein Nachmittag oder Abend |
Vorteile | hohe Kreativität und Einbindung der Teilnehmer | Sammlung und Erweiterung kollektiven Wissens in kurzer Zeit | Einbringung in Agenda und eigene Beiträge | vielfältiger Austausch in kürzester Zeit |
Nachteile | fehlender Ablauf riskiert Überforderung | unpräzise Fragestellung riskiert Abbruch oder Desinteresse | Gefahr der Überforderung, organisatorische und technische Anforderungen | Fokusverlust |
Pecha Kucha | Fishbowl | |
---|---|---|
Kurzbeschreibung | Schnell-Präsentation mit Diskussionsrunde | Diskussion mit Wechsel zwischen aktivem Innenkreis und Zuhörern im Außenkreis |
Ziel | Konzentration auf das Wesentliche | vielfältige Diskussion, sammeln und abwägen von Argumenten |
Teilnehmeranzahl | beliebig | ca. 8-30, etwa 1/5 im inneren Kreis |
Dauer | 20 Folien á 20 Sekunden | bis zu 3 Fragen je halbe Stunde |
Vorteile | schnelle, konzentrierte Präsentation | selbstregulierender Prozess animiert stille Teilnehmer, Hierarchien unbedeutend |
Nachteile | Informationsverlust durch mangelnde Struktur | „Angst“ sich zu äußern, Vielredner, Wichtigtuer |
(inspiriert von events-magazine.de)
Open Space: Offen für alle
Die Urform aller Tagungsformate – der Open Space – entstand bereits in den 80er Jahren und orientiert sich an den oben genannten, bereichernden Kaffeepausen. Ohne konkrete Agenda und nur von einem groben Leitthema gelenkt, setzt der Open Space auf die Selbstorganisation und das Engagement der Teilnehmer. Ziel ist der ungezwungene, kreative Informationsaustausch Gleichgesinnter über verschiedene Gruppen hinweg: Jeder kann jederzeit die Gruppe wechseln. So bringt er wie eine Hummel Nektar von einer Gruppe zur nächsten – diese Philosophie wird das „Gesetz der zwei Füße“ genannt.
Wie bei jeder neuen Entwicklung sind die Rahmenbedingungen der innovativen Formate eher eine Orientierung und individuell auslegbar. Da sie viel Eigeninitiative und Selbstorganisation voraussetzen, bergen sie insbesondere für Neulinge schnell das Risiko der Überforderung. Aus unserer Erfahrung heraus empfiehlt es sich daher, die Regeln des Events dessen Ziel und der Erfahrung des Publikums anzupassen.
Die Kulturhauptstadt-Debatte in Chemnitz
Im Jahr 2025 soll der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ an eine deutsche und eine slowenische Stadt verliehen werden. Chemnitz möchte sich an dem mehrstufigen Bewerbungsverfahren beteiligen. Deshalb richtete die Stadt im Januar 2017 im Kleinen Saal der Stadthalle einen Debattentag in Form eines zweistündigen Open Space aus. Ziel war es, die Hintergründe des Verfahrens und die Intention der Bewerbung zu vermitteln und ein erstes Gefühl für die Meinungen der Bürger zu bekommen. Da es um ein einziges großes Thema ging, wurde dieses auch in der gesamten Gruppe diskutiert.
Der Einladung folgten etwa 280 Teilnehmer, was eine Moderatorin unerlässlich machte. Zwei entscheidende Erfolgsfaktoren wurden aus dem Open Space adaptiert: die offene Atmosphäre und deren Umsetzung. Der Kleine Saal der Stadthalle bot eine angemessene Größe für die erwartete Teilnehmerzahl. Er wurde in Arena-Form bestuhlt, sodass der Referent in der Mitte des Raumes stand und die Sitze im Halbkreis ansteigend um ihn angeordnet wurden. Überall im Raum standen offene Mikrofone zur Verfügung. Das hochfahrbare Podium blieb ebenerdig, um mit den Teilnehmern auf Augenhöhe zu sprechen. Im Foyer wurde die ganze Zeit über eine Getränke- und Snackbar angeboten. So konnten sich die Teilnehmer ihre Pausen selbst einteilen und an Stehtischen eigene kleine Gesprächsrunden initiieren.
Das offene Umfeld wirkt
Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Theaterjugendclub mit einem 5-minütigen Improvisationsstück zum Thema „Chemnitz als Kulturhauptstadt“. Anschließend begrüßte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig die Teilnehmer und eine Moderatorin stellte die Referenten vor. Unter ihnen befanden sich auch Staatssekretär Uwe Gaul und der Leiter des Kulturhauptstadt-Büros Ferenc Csák. Sie gaben im ersten Teil Input, stellten Fragen, zeigten Ideen auf und äußerten ihre Statements. Auf dieser Basis fand im zweiten Teil eine moderierte Gesprächsrunde statt. Dabei kamen die Vorteile des Open Space deutlich zum Tragen. Durch die offene Atmosphäre und die aktive Einbindung verarbeiteten die Teilnehmer merklich mehr Informationen. Die Vielfalt der Besucher in Alter, Tätigkeitsfeld, Kenntnisstand und Erfahrungen eröffnete verschiedenste Perspektiven und kreative Vorschläge. Dass sich die Teilnehmer dabei durch die Arena-Form in die Augen sehen konnten, förderte zudem ergiebige Diskussionen.
Natürlich hatte das gewählte Format auch seine Nachteile. Die große Gruppe erforderte von der Moderatorin viel Fachwissen und Geschick. Dennoch konnten und wollten sich in der großen Runde nicht alle Teilnehmer aktiv beteiligen. Zum Abschluss wurden die Beiträge im Plenum zusammengefasst, um die Ideen und Lösungen im Anschluss gut auswerten zu können. Je nach Thema und Ziel des Open Space empfiehlt sich im Nachgang noch die Überlegung, wie der Kontakt zu den Teilnehmern aufrechterhalten und die Ergebnisse bereitgestellt werden können. Im Falle des Debattentags gab es einen Nachbericht auf der zugehörigen Website chemnitz2025.de, die auch in mehreren sozialen Medien vertreten ist. Zudem gibt es ein ausführliches Video der Veranstaltung und regelmäßige Neuigkeiten auf chemnitz.de.
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